Bremen, Nelson Mandela Park
Bremer Steinelefant – wieder ein Denkmal!
Kann ein Elefant Kolonialgeschichte und Anti-Kolonialgeschichte erzählen?
Bremen, Anti-Kolonialdenkmal
JA – er versucht es! Dieser Elefant hat viele Seiten. Seine Geschichte ist lang.
Bremen, ein herbstlicher Park hinter dem Bahnhof. Wie so oft, entdecke ich die unscheinbaren Dinge eher beiläufig. Verlassen Sie den Bahnhof bei Ihrem nächsten Besuch in Bremen nach hinten in den Park hinaus, dann steht ein großer Elefant direkt vor Ihnen: der überlebensgroße Zeuge deutscher Kolonialgeschichte und Antikolonialgeschichte.
Elefant im Park
Dieser riesige Elefant wurde aus dunkel gebrannten Ziegelsteinen 1931 aufgemauert. Er steht über einem Kellerraum, der hier Krypta genannt wird. Auf einer Tafel finden Sie Informationen zur Entstehungsgeschichte und Nutzung dieses Ortes. Einige Schritte weiter liegen in einem gemauerten Kreis auf der Wiese große und kleine rote Steine. Auch hier steht eine Infotafel.
Nelson Mandela Park
Der Park heißt heute Nelson Mandela Park. Ich finde weitere Erläuterungen auf einer anderen Infotafel. Der Elefant wurde umgewidmet zu einem Anti-Kolonialdenkmal. Haben Sie eine Idee, was das bedeutet?
Denk-mal – was kann ich denken – was möchte ich wissen?
Ich zeige Ihnen kurz die vielen Seiten des Elefanten und seiner Geschichte.
Unsere Geschichte, besonders die sogenannte Kolonialgeschichte, ist mit Kriegen, Eroberungen und Ausbeutung verbunden. Es gibt in unseren Städten bis heute Erinnerungen an diese Zeit z.B. durch Denkmäler, Gebäude und Straßennamen. Es finden überall Diskussionen, Veranstaltungen und Aktionen statt, die der Aufarbeitung dieser Geschichtszeugnisse dienen. Dabei wird sehr genau beachtet, aus wessen Sicht die Denkmale entstanden sind und welche Botschaften sie heute vermitteln. Können wir sie verstehen? Wieviele Informationen brauchen wir dazu? Und dann folgen die wichtigen Überlegungen, was ergänzt oder auch entfernt werden muss, damit diese Orte in unserer demokratischen und pluralen Gesellschaft eine sinnvolle Bedeutung gewinnen. Das führt zu Demontagen, künstlerischen Umgestaltungen, Informationstafeln, Umbenennungen und vielen anderen Lösungen. Vielleicht haben Sie schon Beispiele gesehen. Schreiben Sie es in den Kommentar.
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Bremen, OHAMAKARI im Nelson-Mandela-Park
Wissen zum deutschen Kolonialdenkmal
Dieser Elefant sollte einst den deutschen Kolonialismus preisen und in Berlin als „Ehrenmal“ errichtet werden. 1908 sollte das Kolonialkriegerdenkmal in Berlin entstehen. Fritz Behn hatte diesen Elefanten entworfen und den Wettbewerb damit gewonnen. Dennoch wurde die Ausführung abgelehnt und verschoben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Nationalismus in Bremen sehr stark. Außerdem wollte man die Kolonien nicht verloren geben und suchte nach einem Erhalt der internationalen Handelsplätze. Der Entwurf für das Berliner „Reichskolonialehrenmal“ wurde hervorgeholt und in Bremen 1932 mit Senatsbeschluss umgesetzt. Bis zum zweiten Weltkrieg war dann hier in Bremen das zentrale deutsche Kolonialdenkmal. Es gab ein Totenbuch in der „Krypta“ mit Namen der in den Kolonien gefallenen, deutschen Soldaten und Schrifttafeln, die an die „verlorenen“ Kolonien erinnern sollen. Das Buch ist heute im Stadtarchiv, die Tafeln wurden entfernt.
Anti-Kolonialdenkmal im Bremer Nelson-Mandela-Park
Das vergessene Denkmal nach 1945
Nach dem Krieg hat das Denkmal keine Beachtung mehr erfahren und sich auch aus dem Gedächtnis der Bremer Stadtbevölkerung zurückgezogen. Die Krypta wird Aktenlager und Depot.
Gegen das Vergessen – Anti-Apartheid-Bewegung
Die Arbeit der Anti-Apartheid-Bewegung, ihre Kampagnen gegen Waffenhandel mit Südafrika und ihr Einsatz die Freilassung von Mandela sind seit den 1970er Jahren auch in Bremen zunehmend präsent. Es wird in dieser Zeit über eine Umwidmung des Denkmals nachgedacht. 1990 wird Namibia unabhängig und es wird ein Namibia-Freiheitsfest in Bremen gefeiert. Der Elefant wird in ein „Anti-Kolonial-Denk-Mal“ umbenannt.
Alter Elefant – Abriss oder Erhalt?
Zu Beginn der 2000er Jahre wird die Frage nach Abbruch oder Restaurierung und Erhalt gestellt. Der Elefant wird erhalten und 2009 mit Mitteln des Bundes restauriert. Ich gehe um den Elefanten herum und frage mich, ob dieser gigantische und ungewöhnliche Elefant durch Umbenennung seine Wirkung verändert? Die Übergröße des Entwurfs hat eine starke Wirkung. Ändert sich diese Wirkung auf Spaziergänger:innen und Schüler:innen durch Umbenennung?
Leben am Elefanten und OHAMAKARI
Dieser Ort am Elefanten wird aktiv genutzt: die Krypta für Veranstaltungen und der Elefant als Ort für Kunstaktionen. Ein weiteres kleines Denkmal ist aus roten Steinen auf dem Boden verlegt worden. Es bekam den Titel OHAMAKARI und erinnert an die Opfer des Völkermordes in Namibia zwischen 1904 und 1908. Ich frage mich wieder, wie dieser Gedächtnisort wirkt? Es sind so kleine Steine, es ist ein so leicht zu übersehender Ort und er soll das Gedenken an mehr als 10.000 ermordete Menschen wachhalten. Stimmt das Verhältnis? Verdrängen wir immer noch?
Bremen, OHAMAKARI im Nelson-Mandela-Park
Menschen in Namibia
Junge Menschen haben diese Steine in Namibia aufgesammelt, es gibt einen Teil des Ringes als sprechende Hälfte für die Ermordeten, die andere Seite ist die lauschende Hälfte für die Lebenden.Die Botschaft lautet:
Ohne Erinnerung kann keine Aussöhnung stattfinden.
Wir wollen nicht vergessen – wie kann Kunst helfen?
So wesentlich dieser Steinring ist, so unscheinbar erscheint er neben dem Elefanten. Wieviel Erklärungen sind nötig? Ich lese die Tafeln und spüre das Entsetzen. Ich trete ein paar Schritte zurück. Der Elefant überragt alles in seiner Größe, Macht und Präsenz. Ist das angemessen?
Was denken Sie? Was brauchen wir, um nicht zu vergessen, zu erinnern und uns berühren zu lassen? Was wünschen wir uns von Künstler:innen und ihrer besonderen Sprache an solchen Orten?
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