Kunstmuseum Ahrenshoop – Ostsee

verfasst am 12. Januar 2022
von Martina Langel

Inhaltsverzeichnis
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    Anna Gerresheim (1852 – 1921) Fischerhaus in Ahrenshoop bei Nacht, um 1895 Öl auf Pappe, 60 x 80 cm, Leihgabe aus Privatbesitz

    Was sehe ich? Eine kleine bemalte Fläche, ein Bild, auf das dunkle Farben dick aufgetragen sind. Es ist Nacht. Warum sehe ich trotzdem etwas? Langsam versuchen meine Augen und mein Denken aus den erkennbaren Details etwas zusammenzufügen. Der Widerschein des Mondes auf den Fensterscheiben eines alten Hauses. Dicke Bäume ohne Blätter, weiße Flächen, offenbar eine Nacht im Winter. Längst schon habe ich in Gedanken die Menschen in diesem Haus besucht, sogar eine Stimmung der Wärme und Gemütlichkeit stelle ich mir vor.

     

    Anna Gerresheim (1852 – 1921), Selbstporträt, um 1890 Öl auf Leinwand, 158 x 75 cm, Privatbesitz

    Anna – eine mutige Malerinnenkarriere

    Anna Gerresheim hat das kleine Bild auf Pappe gemalt. Sie ist Malerin. Als Kind mit vielen Geschwistern in einer Bürgerfamilie in Ribnitz aufgewachsen, konnte sie auf keine finanzielle Unterstützung hoffen. Sie ist begabt und möchte Malerin werden – aber in Deutschland kann keine Frau an einer Akademie studieren. Das ist im 19. Jahrhundert immer noch so und wird noch Jahrzehnte so bleiben.
    Sie wird einfach nicht zugelassen. Anna muss, wie viele Kolleginnen auch, teure Privatschulen besuchen. Sie arbeitet in Dresden und Berlin und finanziert ihr Studium und ihren Lebensunterhalt mit Porträtmalerei. Klar ist, je repräsentativer ein Bildnis erscheint, desto gefragter die Malerin.

    Ahrenshoop, Blick auf die Ostsee

    Treffpunkt Kunstmuseum Ahrenshoop – noch nie gehört?

    Von Berlin aus besucht Anna Gerresheim das Fischerdorf Ahrenshoop auf dem Darß an der Ostseeküste. Einige Zeit zuvor waren zwei Malerkollegen aus Berlin auf dem Hohen Ufer in Althagen spazieren. Sie sahen Ahrenshoop, die versteckten Fischerhäuser hinter dem Deich und die wunderschöne Landschaft: die weite Ostsee mit dem steilen Ufer und die Landschaft der flachen Boddengewässer. Ein Ort zum Malen und Ein Auftakt!

    Ahrenshoop, MalerInnenweg an der Küste

    Kunstmuseum Ahrenshoop neben den alten Riethäusern des Ortes

     

    Paul Müller-Kaempff (1861 – 1941), Ostseedünen, um 1910, Öl auf Leinwand, 76 x 126 cm Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, gestiftet von Luise und Guenter Roese*

    Als sich einer der Maler, Paul Müller-Kempff, in Ahrenshoop niedergelassen hat und Schüler und Schülerinnen auch aus Berlin zum Malen hierhin kommen, wird der kleine Ort immer bekannter. Ahrenshoop wird zum Künstlerort, zur Künstlerkolonie seit den 1880er Jahren.

    Bilder von Küste und Landschaft

    Malen im Freien – Freilichtmalerei

    Viele Malerinnen und Maler leben in diesem Ort. Sie malen in der Natur und fühlen sich als Teil der Natur. Viele kommen zu Besuch, Marianne von Werefkin, Erich Heckel, Lyonal Feininger.  Andere leben hier einige Monate und Jahre. Auf einem großen Bild steht eine Frau in ihrer Tracht. Sie geht auf einen Friedhof, alleine. Es ist der alte Fischerfriedhof auf der Düne.

    Paul Müller-Kaempff (1861 – 1941), Alter Schifferfriedhof, 1893, Öl auf Leinwand, 211 x 350 cm Dauerleihgabe der Kunsthalle zu Kiel

    Mein Blick auf dieses Bild ist wie der Blick durch eine Türe in eine andere Welt. Eine Welt, als die Menschen hier von der Fischerei gelebt haben. Die Bilder, die heute im Museum gezeigt werden, sind eine Einladung, den Menschen vor 150 Jahren nahe zu sein.

    Alter Schifferfriedhof – noch genauer hingeschaut…

    Alter Schifferfriedhof – sogar die kleinen Schmetterlinge kann man erkennen

    Schifferfriedhof – lange vorbei….

    Besonders ist, dass die Malerinnen und Maler genau diesen Menschen und ihrem Alltag Beachtung geschenkt haben. Fischer wurden gezeigt, Mütter und Kinder wurden dargestellt, ein großer Gegensatz zu den Porträts von Adeligen und Bürgerlichen.

    Ich mache mir Gedanken zu diesen Themen. Manch einer würde vielleicht sagen, es sind keine besonderen Menschen, die hier gemalt werden. Sind denn die Porträtierten der Oberschichten besondere Menschen? Was suchen die Malenden? Sind sie auf der Suche nach den „inneren Werten“ der Menschen, wollen sie die Natur ergründen, beschreiben oder erfahren?

    Elisabeth von Eicken, Frühling, um 1895, Öl auf Leinwand, 80 x 110 cm, Sammlung der Gemeinde Ahrenshoop

     

    „Warum sind sie heute hier im Museum?“ Meine Frau hat mich geschickt…, es regnet…., hier soll es eine Cafeteria geben, sonst gibt es doch hier im kleinen Ort nichts. – Haben Sie auch schon mal so geantwortet? Folgen Sie meiner kleinen Bilderreise durch das Haus heute.

    Das kleine, sehr feine und sehr moderne Museum wird von Frau Dr. Arrieta geleitet. Sie hat den Aufbau begleitet und geprägt. Die Sammlung startet mit 600 Werken und kann sich heute über mehr als 1000 Werke freuen. Beachtenswert, dass ein Verein der Träger des Hauses ist.

    Mit Frau Dr. Arrieta, Leiterin des Kunstmuseums Ahrenshoop, konnte ich über „ihr“ Kunstmuseum sprechen. Sie hat mit Sammlerinnen und Sammlern die Museumssammlung aufgebaut und den Museumsneubau in ihren Händen gehalten. Sie leitet das Museum heute und ist für die vielen abwechslungsreichen Sonderausstellungen verantwortlich. In meiner Reihe Kleine Museen – Kulturimpulse online war Sie auch zu Gast. Ich freue mich, dass ich Ihnen die Möglichkeit geben kann, kurz in unser Gespräch hineinzuhören:

    Kleiner Einblick: 2 Minuten

    Künstlerkolonie Ahrenshoop

    So klein und unbedeutend der Ort scheint, so wichtig war und ist er für viele Menschen besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geworden. Ahrenshoop liegt an der Küste. Zu Zeiten der DDR war hier einerseits eine Erholungsmöglichkeit für Kulturschaffende der DDR möglich. Gleich daneben kamen auch Schülerinnen und Schüler der Kunstklassen der Burg Giebichenstein (Halle) und der Kunsthochschule Leipzig. Ulrich Knispel fuhr beispielsweise mit seinen Klassen der Kunsthochschule hierhin. Es entstanden Arbeiten am Strand, zum Beispiel Abbildungen von toten Fischen. Systemkritik an der Grenze. Knispel wird diffamiert, er wird entlassen, er geht in den Westen. Viele Kolleginnen und Kollegen folgen ihm. Vorher waren Gerhard Marcks und Alfred Partikel hier.

    Gerhard Marcks hat diesen Kopf seines Freundes Alfred Partikel gearbeitet

    Ahrenshoop heute – ja, unbedingt besuchen!

    Spaziere ich an der Küste der Ostsee am Steilufer entlang, bläst der Wind durch die Haare und die Gedanken ziehen in die Ferne. Ich erinnere mich an Unfreiheit und Denkverbote. Die DDR im Rücken, Sand unter den Füßen, die auslaufenden Wellen der weiten Ostsee, mein Blick geht in die Ferne, in die Freiheit. Es braucht keine Erklärung, um zu verstehen, dass künstlerisches Arbeiten hier leichter möglich war als unter Aufsicht.

    Das kleine Museum öffnet viele Fenster zur Vielfalt von Leben. Jedes Bild hier ist ein solches kleines Fenster:

    Alfred Partikel, Waldinneres, um 1936, Tempera auf Leinwand, 160,3 x 116,0 cm Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, gestiftet von der Erbengemeinschaft Partikel

    Alfred Partikel, Waldinneres, um 1936, Tempera auf Leinwand, 160,3 x 116,0 cm Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, gestiftet von der Erbengemeinschaft Partikel

    Als Alfred Partikel dieses Bild des gefrorenen Waldes malte, war die Zeit – um 1936 – farblos, trostlos und bedrohlich. Schauen Sie sich einmal in das Bild hinein… merken Sie, wie die Stimmung des Bildes Sie umfasst?

    Versuchen Sie es noch einmal: Elisabeth von Eicken malt die Bäume des Frühlings:

    Elisabeth von Eicken, Frühling, um 1895, Öl auf Leinwand, 80 x 110 cm, Sammlung der Gemeinde Ahrenshoop

    Und wieder: schauen Sie sich einmal in das Bild hinein… merken Sie, wie die Wärme und das Leuchten der ersten Sonnenstrahlen des Frühlings lebendig werden?

    Lust auf noch mehr Bilder als Fenster zu anderen Welten?

    Dann auf zu Kulturimpulsen online – Museen – Orte – Künstlerinnen – Denkmäler – Glasfenster

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